Russland hat bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014 den ersten Platz im Medaillenspiegel belegt. Möglich war das durch ein staatlich organisiertes Dopingprogramm unter Beteiligung des Geheimdienstes FSB. Deutschlands Biathleten wurden von Dopern besiegt. Doping Russland wird spät bestraft.

Am 22. Februar 2014 hatte sich die deutsche Biathlon-Staffel mit Erik Lesser, Arnd Peiffer, Simon Schempp und Daniel Böhm den russischen Kontrahenten geschlagen geben müssen. Rund zehn Jahre später gibt es verspätet Gold. „Gold – 10 Jahre später!“ verkündete der Deutsche Skiverband (DSV) am 9. September 2024 auf Instagram. „Nach vier Jahren der Ungewissheit hat der Internationale Sportgerichtshof CAS nun endgültig entschieden: Die deutsche Biathlon-Männerstaffel mit Erik Lesser, Daniel Böhm, Arnd Peiffer und Simon Schempp erhält nachträglich die Olympische Goldmedaille von Sotchi 2014.“ Damit scheint ein jahrelanger Rechtsstreit beendet – vollzogen ist die Medaillenüberragung aber noch nicht. Am russischen Dopingsystem gibt es aber keinen Zweifel – Debatten gab es nur um den konkreten Nachweis bei einzelnen russischen Athleten. Lange hat Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees die Augen verschlossen und auch die Bestrafung Russlands erfolgte halbherzig. Zu den betrogenen gehören die sauberen Athleten – allen voran die deutschen Biathleten. Die Freude über einen Sieg wurde Ihnen genommen, weil sie gegen Betrüger antreten mussten.
Bereits im Dezember 2014 hatte die ARD in der Dokumentation „Geheimsache Doping – Wie Russland seine Sieger“ von Hajo Seppelt auf das Dopingsystem hingewiesen. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) setzte nach der Ausstrahlung eine Untersuchungskommission unter der Leitung von Richard Pound ein, der neben dem Deutschen Kriminalbeamten Günter Younger auch Richard McLaren angehörte. In der Folge wurden zwei Untersuchungsberichte erstellt, die das russische Dopingsystem bestätigten. Grigori Rodtschenkow, ehemaliger Leiter des Moskauer Antidoping-Labors, bestätigte in der New York Times Vertuschungspraktiken in seinem Labor in Zusammenarbeit mit RUSADA. 14 russische Medaillengewinner der Winterspiele von Sotschi seien darin verwickelt. Im Auftrag der WADA fertigte Richard McLaren einen 97-seitigen Untersuchungsbericht, der 2016 veröffentlicht wurde. Der Untersuchungsbericht führt Belege für die systematische Verwicklung von staatlichen Stellen in organisiertes Doping auf. Auch eine Beteiligung des russischen Inland-Geheimdienstes FSB wurde nachgewiesen. Der Bericht zum Thema Doping Russland wurde übersetzt und in Fachgremien im Deutschen Bundestag diskutiert.
Doping Russland – die wichtigsten Erkenntnisse
- Das Moskauer Antidopin-Labor arbeitete zum Schutz gedopter russischer Athleten innerhalb eines staatlich verordneten Systems, das als „Methode des Verschwindenlassens positiver Proben“ bezeichnet wird.
- Das Labor in Sotschi bediente sich einer Probenaustauschmethode, um gedopten russischen Athleten die Teilnahme an den Olympischen Spielen zu ermöglichen.
- Das Sportministerium leitete, steuerte und überwachte die Manipulation der Analyseergebnisse der Athleten oder den Austausch ihrer Proben mit aktiver Beteiligung und Unterstützung des FSB, des CSP sowie der Labors in Moskau und Sotschi.

Doping Russland: Verschwindenlassen von positiven Proben
Die „Methode des Verschwindenlassens positiver Proben“ wurde 2010 als staatlich gelenkte Methode eingeführt. Damals war Sotschi bereits zum Austragungsort der nächsten Olympischen Winterspiele bestimmt worden. 2010 wurde Juri Nagornich durch Ministerpräsident Wladimir Putin zum neuen stellvertretenden Sportminister ernannt. Nagornich, damals auch Mitglied des russischen Olympischen Komitees („ROC“), ist dem russischen Sportminister Witali Mutko unterstellt. Als Vertreter des Staates wurde er ab 2011 über jedes im Moskauer Labor anfallende positive Analyseergebnis informiert. Er als stellvertretender Sportminister entschied, wer von einer Vertuschung profitieren sollte und wer nicht geschützt würde. Wenn die Anordnung „SCHÜTZEN“ kam, mussten die Labormitarbeiter die Probe im Anti-Doping Management System („ADAMS“) der WADA als ‚negativ‘ ein tragen. Anschließend fälschten sie das Prüfergebnis im Informationsmanagementsystem des Labors.
Mit Unterstützung des russischen Geheimdienstes FSB war für den Einsatz in Sotschi ein Verfahren zum heimlichen Öffnen der Verschlüsse manipulationssicherer Probenflaschen mit den Urinproben gedopter russischer Athleten entwickelt worden. So konnten belastete Proben gegen zuvor eingelagerte saubere Proben getauscht werden.
Die Probentauschmethode von Sotschi war eine besondere Aktion, die aufgrund der Anwesenheit internationaler Beobachter im Labor notwendig war. Sie ermöglichte es russischen Athleten, gedopt an den Wettkämpfen teilzunehmen. Ganz pannenfrei verlief der Tausch nicht: bei zwei Proben von russischen Eishockeyspielerinnen wurde männliche DANN nachgewiesen.

Doping Russland – die Athleten wussten Bescheid
Über 1.000 russische Athleten, die an Wettkämpfen im Sommer-, Winter- und Behindertensport teilnahmen, konnten laut dem Bericht als Beteiligte oder Begünstigte der Manipulationen zur Vertuschung positiver Dopingbefunde identifiziert werden. Nach den Informationen, die den internationalen Verbänden, der Unabhängigen Person (IP) und WADA zugingen, handelt es sich um 600 (84 %) Sommerathleten und 95 (16 %) Winterathleten. Doping Russland – für die Erfolge sind alle Mittel recht.

Unterstützung für den Krieg
Das staatliche Dopingsystem haben die russischen Athleten offensichtlich nicht hinterfragt. In einem Land in dem Sport und Politik nicht zu trennen sind, überrascht das nicht. Kurz nach der großen Invasion Russlands in die Ukraine zeigten russische Biathleten ihre Unterstützung für den Krieg und traten öffentlich an der Seite Putins auf. Die ehemalige Biathletin Olga Zaitseva erklärte, dass sie auch selber bereit wäre zu kämpfen, weil sie gut schießen könne. Sie begrüßte den Überfall auf die Ukraine, weil sich dadurch das russische Staatsgebiet vergrößert und es damit mehr Sportler gäbe: „Die Zahl der Regionen ist gestiegen, also ist auch die Zahl der russischen Athleten gestiegen. Sie gehören jetzt zu uns. Und wir werden mit ihnen arbeiten, wie wir es auf der Krim nach 2014 getan haben. Der Wettbewerb wächst und dadurch wachsen auch unsere Athleten.“
Quelle: Untersuchungsbericht Bundestag